Arbeitnehmer muss Kosten für interne Ermittlungen beim Arbeitgeber zahlen!

Mannheim, Worms, 2.9.2021 Gastbeitrag von RA Jürgen Möthrath, Worms

Spätestens seit der Affäre des DFB e.V. um die WM 2006 sind sogenannte „interne Ermittlungen“ bei Verbänden oder Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland angekommen. 

Auch der Entwurf des Verbandssanktionengesetzes (zuletzt unter dem Titel Gesetz zur Förderung der Integrität in der Wirtschaft diskutiert) stellt auf „interne Ermittlungen“ ab, durch die potentielle Compliance-Verstöße unternehmensintern aufgeklärt werden sollen. 

Bei solchen internen Ermittlungen ist der Ermittlungsaufwand in der Regel nicht im Voraus bestimmbar, weshalb auf solche Ermittlungen spezialisierte Kanzleien normalerweise die Kosten auf der Basis einer Stundenvergütung abrechnen.  Dabei sind Vergütungssätze von mehr als 300,00 € netto pro Stunde normal. 

Wer trägt die Kosten für solche internen Ermittlungen?

Die Frage, ob der Arbeitnehmer die Anwaltskosten ersetzen muss, die dem ehemaligen Arbeitgeber für Ermittlungen gegen ihn wegen Compliance-Verstößen entstanden sind, wurde nun vom Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG Urteil vom 29. April 2021 – AZ: ( AZR 276/20).

In dem der Entscheidung des BAG zu Grunde liegenden Fall wurden dem Beklagten (Ex-

Arbeitnehmer) anonym per Verdachtsmeldungen mehrere Verstöße gegen die ComplianceVorschriften des Arbeitgebers vorgeworfen, so dass dieser sich dazu entschied, durch spezialisierte Rechtsanwälte „interne Ermittlungen“ durchführen zu lassen. 

Nach dem Untersuchungsbericht dieser Kanzlei waren dem Beklagten mehrere Verfehlungen nachzuweisen, die zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. 

Für die Ermittlungen stellte die Kanzlei dem Arbeitgeber insgesamt 209.679, 68 € in Rechnung, welche der Arbeitgeber von dem Beklagten beanspruchte. 

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen seiner Entscheidung festgestellt, dass ein Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer grundsätzlich die Erstattung der Kosten verlangen könne, die im Zusammenhang mit den „internen Ermittlungen“ entstanden sind, wozu auch die Anwaltskosten gehören.

Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Kosten ist nach dieser Entscheidung allerdings, dass gegen den Arbeitnehmer ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung vorliegt.  In diesem Fall gehören die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen zu den nach § 249 BGG zu ersetzenden Schäden. 

Die Frage, welche Kosten zur Abwendung drohender Nachteile notwendig sind, beurteilt das BAG nach dem Grundsatz, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch aufwenden würde, um nach den Umständen des Einzelfalles eine Störung zu beseitigen, bzw. das Unternehmen vor einem Schadenseintritt zu behüten. Dabei kommt es nicht darauf an, was dieser Mensch an Aufwand als zweckmäßig angesehen hätte, sondern als erforderliche Maßnahmen auch veranlasst hätte. 

Die Entscheidung des BAG stellt damit nicht nur den Grundsatz der Erstattungsfähigkeit solcher Kosten auf, sondern zieht zugleich Grenzen für etwaige Erstattungsansprüche.

Erhebliche Verfehlung!

Eine erste und nicht zu unterschätzende Grenze ist das Ausmaß der Verfehlung, die dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird. Das BAG hat die Erstattungsfähigkeit vorliegend nur für erhebliche Verfehlungen bestätigt. 

Von einer erheblichen Verfehlung kann nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen erhebliche Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hat. Ein solcher Verstoß ist beispielsweise dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer sich nicht an erteilte Arbeitsanweisungen gehalten hat. 

Da der Arbeitgeber als Anspruchsteller für diese Kosten die Beweislast trägt, sollte dieser im Rahmen seiner Unternehmensorganisation gewährleisten, dass Arbeitsanweisungen entsprechend dokumentiert werden, einschließlich des Umstandes, ab wann diese dem einzelnen Arbeitnehmer bekannt wurden und von da an einzuhalten sind. 

Hinsichtlich der Qualifizierung einer Verfehlung als erheblich, gilt zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, so dass nicht jeder Verstoß gegen eine Arbeitsanweisung diese Schwelle übersteigt. 

Notwendige Auslagen 

Auch bei erheblichen Verfehlungen sind die Kosten für „interne Ermittlungen“ nicht in beliebiger Höhe vom Arbeitnehmer zu ersetzten. 

Nach dem Maßstab des vernünftig, wirtschaftlich denkenden Menschen, der nur für solche Ermittlungen Kosten aufwenden, die zur Beseitigung einer Störung oder zur Vermeidung eines Schadenseintritts erforderlich sind, ist es für den Arbeitgeber auch hier mit Blick auf die Beweislast für die „Erforderlichkeit“ notwendig, sorgfältig zu dokumentieren, auf welcher Grundlage der konkrete Tatverdacht beruht, welche Störung der Verstoß hervorbringen kann, bzw. welcher Schaden und mit welcher Schadenhöhe durch den Verstoß zu erwarten ist. 

Zugleich ist mit den beauftragten Rechtsanwälten zu vereinbaren, dass der Ermittlungsaufwand entsprechend dokumentiert wird, damit anhand der Dokumentation nachvollzogen werden kann, ob die geltend gemachten Kosten erforderlich waren.

Zu den Anforderungen an eine Zeithonorarabrechnung durch einen Rechtsanwalt hat der Bundesgerichtshof bereits 2010 Maßstäbe aufgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 – IX ZR 18/09).

Danach birgt die Vereinbarung eines Zeithonorars die naheliegende Gefahr in sich, dass dem Mandanten der tatsächliche Aufwand verborgen bleibt und ein unredlicher Anwalt deshalb ihm nicht zustehende Zahlungen beansprucht. 

„Deshalb erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden.“

Nach dieser Entscheidung ist es für eine ordnungsgemäße Abrechnung erforderlich, dass in der Abrechnung in einer auch im Nachhinein verständlichen Weise niedergelegt wird, welche konkreten Tätigkeiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums verrichtet wurde. Dabei ist konkret anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen wurden, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherche angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde. 

Es soll nach dagegen nicht ausreichen, wenn die Tätigkeiten nur mit allgemeinen Platzhaltern beschrieben werden, wie Aktenbearbeitung, Literaturrecherche, Telefongespräche etc.  Dies vor dem Hintergrund, dass diese Platzhalter insbesondere bei wiederholter Anwendung in der Abrechnung inhaltsleer seien und ohne die Möglichkeit einer wirklichen Kontrolle geradezu beliebig ausgeweitet werden können. 

Ebenso wenig reicht es nicht aus, die Abrechnung durch die bloße Vorlage von Anlagen zu ergänzen, wenn diese nicht geeignet sind, hierdurch eine konkrete Nachprüfung vorzunehmen.

In Bezug auf die Abrechnungen von „internen Ermittlungen“ sollte also aus der Abrechnung konkret hervorgehen, welcher Verstoß gegen Compliance-Vorschriften des Arbeitgebers den jeweiligen Ermittlungen zu Grunde lagen. 

Im Weiteren sollte Gegenstand der Abrechnung sein, welche Ermittlungshandlung konkret durchgeführt wurden. 

Wurden im Zusammenhang mit den „internen Ermittlungen“ z.B. Vernehmungen durchgeführt, sollte das Vernehmungsprotokoll nicht nur eine förmliche Belehrung der zu vernehmenden Person enthalten, sondern auch konkret die Anfangs- und Endzeit der Vernehmung. In der Zeitaufstellung zur Vergütungsabrechnung kann dann das Datum,  sowie die Anfangs- und Endzeit der Vernehmung, sowie der Name der Person vermerkt sein, welche vernommen wurde. Da in verständlicher Weise niedergelegt werden soll, welche konkreten Tätigkeiten verrichtet wurde, sollte daneben noch der Vernehmungsgegenstand mit aufgeführt werden. 

Eigene Kontrolle und Grundlage der Darlegungslast 

Bei dem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung sollten die vorstehenden Ausführungen durch den Arbeitgeber beachtet werden. Dies ermöglicht diesem nicht nur die Kontrolle über den Umfang und den Inhalt der durchgeführten Ermittlungen, sondern gewährleistet auch, dass die Ermittlungen so dokumentiert werden, dass dies den Anforderungen des BAG genügt. 

Autor: 

Jürgen Möthrath

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Certified Chief Compliance-Officer (DiZR e.V.)