Steuerstraftat

Steuerschulden, die trotz Privatinsolvenz bleiben

Das Privatinsolvenzverfahren hat das Ziel, den Schuldner von seinen Verbindlichkeiten zu befreien. Das gelingt jedoch nicht bei allen Schulden. Schulden aus Straftaten, bei Unterhaltsrückständen und eben bei bestimmten Steuern bleiben erhalten.

Unser Mandant, Sebastian L., hatte einen Geschäftsbetrieb. Mit diesem wurde er insolvent. Dabei gab es auch verschiedene Schulden gegenüber dem Finanzamt. Er hatte Rückstände bei der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer.

Wir haben das Insolvenzverfahren eingeleitet. Nach der Eröffnung des Verfahrens meldete das Finanzamt beim Insolvenzverwalter Rückstände aus diesen beiden Steuerarten an. Bei der Umsatzsteuer behauptete das Finanzamt zusätzlich, dass es sich um eine Forderung aus einer Steuerstraftat handeln würde. Herr L hätte mit Scheinrechnungen gearbeitet, um mehr Umsatzsteuer erstattet zu bekommen als gerechtfertigt war. Diese Verbindlichkeit wäre von der Restschuldbefreiung ausgenommen.

Maßgebend hierfür ist § 302 Insolvenzordnung. Dort sind die Ausnahmen aufgeführt. Das sind Steuerhinterziehung, gewerbsmäßiger Schmuggel oder Steuerhehlerei. Wenn es sich um derartige Schulden handelt, behält sie der Schuldner auch noch nach der Insolvenz und damit praktisch für den Rest seines Lebens.

Das Finanzamt stützte sich bei der Umsatzsteuer auf die Behauptung, die geforderte Nachzahlung würde aus einer Steuerhinterziehung stammen.

Bei der Einkommensteuer meldete das Finanzamt nur den rückständigen Betrag an. Das ist auch richtig so. Herr L hatte schlichtweg kein Geld, die rückständige Einkommensteuer aus den Vorjahren zu bezahlen. Einfach kein Geld zu haben ist keine Straftat. Diese Schulden gehen also in die Schuldbefreiung mit ein.

Anders dagegen war es bei der Umsatzsteuer. Mit den Scheinrechnungen hatte sich Herr L einen finanziellen Vorteil verschafft.

Nach dem Gesetz hat Herr L eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen. Allerdings war er zu dieser Zeit deswegen noch nicht verurteilt worden. Es lag also noch keine Gerichtsentscheidung darüber vor, ob er diese Steuerhinterziehung denn auch tatsächlich begangen hat. Die entsprechende Verurteilung erfolgte erst im Laufe des Insolvenzverfahrens, nämlich etwa zwei Jahre später.

Herr L wehrte sich gegen diese Forderungsanmeldung. Er verwies auf den Gesetzeswortlaut. Dort steht, dass der „Schuldner… verurteilt worden ist“. Herr L stützte sich auf das Wort „ist“. Zum Zeitpunkt der Forderungsanmeldung war er noch nicht verurteilt. Deswegen hätte das Finanzamt die Forderung nicht so anmelden können. Sie müsste deswegen unter die Schuldbefreiung gefallen.

Das Finanzgericht hat in seinem Verfahren dagegen entschieden, dass es ausreicht, wenn die Verurteilung auch erst später erfolgt. Diese Rechtsauffassung wird in der Fachliteratur ebenso gesehen. Es reicht also, wenn das Finanzamt bei seiner Forderungsanmeldung behauptet, es läge eine Steuerstraftat vor und sie konkret benennt. Zu diesem Zeitpunkt muss der Schuldner noch nicht verurteilt sein. Es reicht, wenn das erst später geschieht.

Etwas anders liegt der Fall, wenn die Forderungsanmeldung des Finanzamts zunächst ohne behauptete Straftat geschieht.

Dann stellt sich die Frage, bis wann das Finanzamt nachträglich noch diesen Zusatz anmelden kann. Hier wartet das Finanzamt also zunächst die Verurteilung ab. Dann erfolgt ein zweiter Schritt. Unter Bezugnahme auf die schon angemeldete Forderung erfolgt nun die Behauptung, dass eine Steuerstraftat vorliegt. Das kann also zeitlich sehr viel später geschehen. Hier waren es etwa zwei Jahre. Trotzdem ist das noch möglich. Die Frage ist nun, wie lange das noch der Fall ist. Man könnte daran denken, dass es nur bis zum Ende der Insolvenzphase geht. Dann wäre es für den Schuldner günstig, wenn die Verurteilung erst in der Wohlverhaltensphase erfolgt. Es erscheint jedoch auch gut vertretbar, den Zeitraum bis zum Ende der Wohlverhaltensphase anzusetzen. Das wären dann die früher 5 bzw. 6 Jahre und heute 3 Jahre. Von einem höchsten Bundesgericht ist diese Frage noch nicht definitiv entschieden worden.

Dem Schuldner bleibt somit eine Möglichkeit: sein Privatinsolvenz verfahren unverzüglich zu beginnen und das Steuerstrafverfahren so lange wie möglich hinauszuzögern. Wenn man bedenkt, dass der Steuerschaden erst ermittelt werden muss, dann eine Festsetzung erfolgt und dann sich das Strafverfahren anschließt, kann man die drei Jahre schaffen, bevor die Verurteilung kommt.

Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg