Vorsicht bei Forderungsanmeldungen des Finanzamts

Ein Urteil des BFH vom 28.06.2022 (Az. VII R 23/21) zeigt wieder: Ansprüche aus Steuerstraftaten wird man nur schwer los. Oft sind sie von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.

Forderungen aus Steuerstraftaten sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wenn der Schuldner nach §§ 370, 373 oder 374 der Abgabenordnung rechtskräftig deswegen verurteilt worden ist. Gerade eine Verurteilung durch Strafbefehl für Steuerhinterziehung, § 370 AO, ist ein häufiger Fall aus der Beratungspraxis. Zwar hat der Gläubiger die entsprechende Forderung auch unter Angabe des Rechtsgrunds zur Insolvenztabelle anzumelden.

Aber: Die Anmeldung der Forderung und deren Bezeichnung als „Straftat“ müssen nicht gleichzeitig erfolgen. Daher kann es passieren, dass die Forderung zunächst wie eine ganz „normale“ Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet und auch festgestellt wird. Die Hoffnung darauf, dass die Forderung von einer Restschuldbefreiung umfasst wird, besteht.

Die nachträgliche Anmeldung des sogenannten Attributs „Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ ist auch noch nach dem Forderungsprüfungstermin, nämlich bis zum Schlusstermin, möglich. Dasselbe gilt auch für die Feststellung von Forderungen aus Steuerstraftaten.

Vorliegend hatte das Finanzamt zur Insolvenztabelle Forderungen aus Abgabenforderungen angemeldet. Und zwar ohne Hinweis auf einen Zusammenhang mit einer (möglichen) Steuerstraftat. Dann erfolgte eine rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen Steuerhinterziehung mit Strafbefehl. Das Finanzamt beantragte kurz gesagt die Feststellung, dass die betroffenen Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen werden. Der Schuldner widersprach dieser Feststellung. Der Widerspruch wurde in der Tabelle eingetragen. Das Finanzamt erließ in der Folge einen – später abgeänderten – Bescheid, mit dem es die Forderungen als von der Restschuldbefreiung ausgenommen feststellte. Einspruch und letztlich auch die Klage des Schuldners gegen die Feststellungen des Finanzamts blieben im Ergebnis erfolglos.

Warum? Der Bundesfinanzhof sagt:

  • Eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat muss noch nicht zum Zeitpunkt der Forderungsanmeldung vorgelegen haben.
  • Es müssen bei der Anmeldung auch keine Umstände angegeben werden, aus der sich eine solche Steuerstraftat ergibt.
  • Das Attribut (Forderung aus Straftat) umfasst auch steuerliche Nebenleistungen, also auch Zinsen und Säumniszuschläge, auf die sich die strafrechtliche Verurteilung nicht erstreckt. Die Forderung aus der Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle kann also höher sein als die Forderung im Strafbefehl bzw. Strafurteil.
  • Erhebt der Schuldner nur gegen das Attribut (Forderung aus Straftat) einen Widerspruch, ist das Finanzamt berechtigt, einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO zu erlassen. Das Finanzamt muss also gerade nicht gegen den Widerspruch des Schuldners vor einem Zivilgericht klagen. Es geht nämlich nicht darum, festzustellen, ob überhaupt eine Steuerstraftat vorliege. Das sei ja mit der Verurteilung bereits geklärt. Hier gehe es nur noch darum, festzustellen, dass eine solche Verurteilung erfolgt sei.

Der Widerspruch allein hilft dem Schuldner also in einem solchen Fall nicht. Er muss eine negative Feststellungsklage gegen das Finanzamt erheben.

Das Finanzamt wiederum muss eine solche Klage nicht abwarten. Es kann einfach den besagten Feststellungsbescheid erlassen.

Gar nicht so einfach mit solchen Forderungen. Daher sollte man sich frühzeitig helfen lassen. Am besten bevor es zu einem Strafbefehl kommt.

Advosolve Fachanwaltskanzlei, 23.01.2023

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